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Personifikation der Freundschaft und der Kunstanschauung

Johann Mauczka (1866-1938)
2012, oil on canvas, 27×29 cm

Personifikation der Freundschaft und der Kunstanschauung

Johann Mauczka (1866-1938)


Personifikation der Freundschaft und der Kunstanschauung

BIBLIOGRAPHIES

 

 

Bilder als Manifeste der Freundschaft und der Kunstanschauung zwischen Aufklärung und Romantik in Deutschland (Teil 1)

Frank Büttner
Bilder als Manifeste der Freundschaft und der Kunstanschauung zwischen Aufklärung und Romantik in Deutschland (Teil 2)*

Bilder der Freundschaft

Klaus Lankheit vertrat in seinem bereits mehrfach angesprochenen Buch die These, daß das »Freundschaftsbild der Romantik« »nach Gattung und stil eine einzigartige Erscheinung in der Kunstgeschichte« gewesen sei.[37] Es ist jedoch sehr die Frage, ob es gerechtfertigt ist, hier von einer Gattung zu sprechen. Die Hauptgruppe der Beispiele, die Lankheit herausstellte, bilden Doppel- oder Gruppenporträts. Daß man bei den in derartigen Bildern Dargestellten eine persönliche Verbindung unterstellen darf, ist sicher vorauszusetzen. Daß diese Verbindung als Freundschaft zu werten sein soll, ist jedoch Resultat der Interpretation, die auf Wissen um die Biographie der Dargestellten zurückgreifen muß, wenn nicht Gesten oder symbolische Attribute etwas über deren Verhältnis zueinander aussagen. Das gilt gerade für die von Lankheit als besonders bezeichnend herausgestellte Form der gestaffelt gereihten Profilbildnisse.[38] In der langen Geschichte, die dieser Typus des Gruppenporträts hat, gibt es viele Beispiele, bei denen es nicht um Freundschaft geht, etwa in dem bekannten Stich Tischbeins, der die idealen Charakterköpfe der Helden der Ilias darstellt.[39] In der großen Zahl der Doppel- und Gruppenporträts, die seit der Renaissance nachzuweisen sind, gibt es in der Tat solche, in denen zweifellos Freundschaftsbeziehungen dokumentiert werden sollten, so wie auf anderen Bildern die enge Beziehung zwischen Ehepaaren oder Familienmitgliedern festgehalten wird. In den meisten Fällen ist es vom Bild her nicht zu entscheiden, ob es sich um ein Freundschafts- oder um ein Geschwisterpaar handelt. Die Grenzen zwischen den verschiedenen Typen sind fließend. Ein eindeutig bestimmbarer Typus des Freundschaftsbildes wurde in der Porträtgeschichte nicht ausgebildet. Von einer eigenständigen Gattung des Freundschaftsbildes kann, wenn man den Gattungsbegriff ernst nimmt, nicht gesprochen werden.

Personifikation der Freundschaft und der Kunstanschauung

Abb. 1

Selbstverständlich aber konnte Freundschaft zum Thema der Kunst und damit auch der Porträtkunst werden. Innerhalb des Typus des Doppelporträts wurden verschiedene Weisen entwickelt, Freundschaft zu thematisieren. In Holbeins >Gesandten<, dem Doppelporträt von Jean de Dinteville und George de Selve in London, werden die beiden verbunden durch ihre wissenschaftlichen und künstlerischen Interessen, auf die die auf dem Regal zwischen ihnen ausgebreiteten Gegenstände anspielen, und durch das »memento mori«, das die Anamorphose des Totenschädels vor ihnen anmahnt.[40] Rubens stellte in seinem unter dem Titel >Die vier Philosophen< bekannten Bild in Florenz sich selbst und seinen Bruder Philipp mit Justus Lipsius und Jan van der Wouwere dar. Während der Maler im Hintergrund steht, sind die drei am Tisch sitzenden Männer in ein Gespräch vertieft, verbunden in einem von Lipsius geleiteten philosophischen Diskurs im Geiste Senecas. Rubens malte das Bild zum Gedächtnis an seinen kurz zuvor verstorbenen Bruder.

In diesen frühen Porträts, die Freundschaft thematisieren, spielt die Emotionalität keine Rolle. Zwar finden wir sie in Ehebildnissen des 17. Jahrhunderts - man denke nur an die Paardarstellungen von Rembrandt oder Frans Hals -, in den Freundschaftsdarstellungen schenkte man ihr erst im fortgeschrittenen 18. Jahrhundert größere Beachtung. Johann Heinrich Tischbein stellte 1773 die Landgräfin Philippine von Hessen und ihre Schwester dar.[41] Die beiden reichen sich am Altar der Freundschaft die Hände und unterstreichen so, daß sie mehr miteinander verbindet als ihre gemeinsame Abstammung. Angelika Kauffmann hat dieses Motiv in ihrem Gemälde der Geschwister Spencer aufgegriffen. Die Schwestern sitzen eng nebeneinander, die eine hat den Arm um die Schulter der anderen gelegt und beide reichen sich die Hand.[42] Dieser Gestus des Treueschwurs, den man aus dem Ehepaarbild seit Jan van Eyck kennt, signalisiert in diesen Bildern die enge emotionale Verbundenheit.

Personifikation der Freundschaft und der Kunstanschauung.

Abb. 2

In diese Tradition reiht sich auch Runges Gruppenbildnis >Wir drei< ein, das den Künstler mit seiner Frau und seinem Bruder Daniel zeigt.[43] Das 1805 vollendete Bild war für die Eltern bestimmt, enthält aber zugleich die vor allem an den Bruder Daniel gerichtete Aussage, daß die enge Verbundenheit des Künstlers mit ihm auch nach der Hochzeit mit Pauline bestehen bleiben wird, denn Pauline ist es hier, die Daniels Hand hält. Die Verbundenheit wird durch das alte emblematische Motiv des Efeus, der den Stamm einer Eiche umwindet, unterstrichen.


Das Bildnis als Manifest der Kunstanschauungen

Während die bisher genannten Bildnisse, ganz der langen Tradition der Porträtkunst entsprechend, die Erinnerung an die dargestellten Persönlichkeiten wachhalten wollen, gibt es andere Beispiele, die über die Dokumentation von Freundschaftsbeziehungen hinaus auch kunsttheoretische Positionen anschaulich machen wollen. Die Geschichte des Selbstbildnisses liefert zahlreiche Beispiele dafür. Unter den Doppel- oder Gruppenporträts findet man derartige Verknüpfungen vor allem dann, wenn diese ein Selbstbildnis einschließen. Johann Heinrich Füssli stellte sich um 1780 zusammen mit Johann Jakob Bodmer dar. Während der greise Literat mit strengem Blick doziert, zeigt sich der Künstler in der Pose des nachdenklich Zuhörenden. Das Bild ist ein dankbares Bekenntnis Füsslis, von Bodmer gelernt zu haben. Die Richtung ihrer Gespräche soll durch die mächtige Büste zwischen ihnen angedeutet werden, die verschieden gedeutet worden ist, als Homer oder als Ossian, als Dichter einer fernen Vergangenheit, auf deren Werk Bodmer den Künstler hingewiesen und zur Illustration angeregt hat.

Personifikation der Freundschaft und der Kunstanschauung.

Abb. 8

Wilhelm Tischbein, der das Gemälde Füsslis kannte, hat 1782 zusammen mit seinem Bruder Heinrich Jakob Tischbein ein Doppelbildnis geschaffen, in dem einer den anderen gemalt hat.[44] Die beiden sitzen vor einer Staffelei, auf der ein unvollendetes Gemälde steht, das Diogenes zeigt, der mit der Laterne in der Hand über den Markt geht und »einen Menschen sucht«. An der Wand hängen die Porträts von Bodmer, Lavater und Gessner, Persönlichkeiten, denen Wilhelm Tischbein entscheidende Anregungen verdankte. Das Diogenes- Gemälde, ein altes Exemplum dafür, daß der Weise in der Menge der Menschen nur Unmoral und Torheit findet, soll wohl darauf hindeuten, daß der Künstler für sich in Anspruch nimmt, die Menschen zu durchschauen und ihrem Wesen gemäß darzustellen.

Ein späteres Beispiel für diesen Typus des Künstlerbildnisses ist Wilhelm Schadows Selbstbildnis mit seinem Bruder Ridolfo und Bertel Thorvaldsen.[45] Die Brüder geben sich

Friedrich Overbeck. Die Lukasbrüder im Einzug Christi in Jerusalem, 1824 Ehern. Lübeck, Dom.

Friedrich Overbeck. Die Lukasbrüder im Einzug Christi in Jerusalem, 1824 Ehern. Lübeck, Dom

die Hand und bekräftigen so ihre Verbindung unter dem Patronat von Thorvaldsen, der zwischen ihnen steht und die Hand auf die Schulter Wilhelms legt. Das Bild ist nicht nur Dokument ihrer Freundschaft, sondern eine programmatische Erklärung, daß beide Künstler nach gleichem Ziele streben, das von Thorvaldsen erreicht wurde. Der Ausblick auf das römische Kolosseum deutet an, daß dies vor dem Hintergrund der Antike geschieht.


Das Porträt als Freundesgabe

Klaus Lankheit hat in seinem Buch nur solche Bildnisse als Freundschaftsbilder akzeptiert, in denen die Freundespaare oder -gruppen miteinander dargestellt sind. Daß dies problematisch ist, erweist sich an der oben bereits erwähnten Praxis des Umgangs mit Bildnissen, wie sie etwa für Gleim oder Angelika Kauffmann überliefert wird.[46] Auch Einzelbildnisse können sehr wohl Dokumente der Freundschaft ein. Lankheit hat in seiner Arbeit den Fehler gemacht, nicht nach der Funktion der Bildnisse im Hinblick auf den oder die Adressaten zu fragen. Recht üblich war zum Beispiel der Austausch von Selbstbildnis en. So hatte Runge beispielweise sein kleines >Selbstbildnis im blauen Rock<, das sich heute in der Hamburger Kunsthalle befindet, seinem Freund Klinkowström geschenkt, der es freilich bald wieder zurückgab, weil er sein als Gegengeschenk versprochenes Selbstbildnis nicht fertiggestellt hatte.[47]

Auch ein ohne Auftrag geschaffenes und auch nicht als Geschenk gedachtes Porträt konnte als Denkmal der Freundschaft konzipiert sein. Das gilt beispielsweise für das Bildnis Goethes, das Angelika Kauffmann 1787 malte.[48] Goethe hat es nicht sehr geschätzt, weil er es als nicht ähnlich empfand. Herder hingegen hat genau erfaßt, was es mit diesem Bildnis auf sich hatte: Goethes »Bild hat sie sehr zart ergriffen, zarter als er ist, daher die ganze Welt über Unähnlichkeit schreiet, die doch aber wirklich im Bilde existiert. Die zarte Seele hat ihn sich so gedacht, wie sie ihn gemalt«.[49] Gerade in seiner»Unähnlichkeit« ist dieses Porträt Zeugnis einer ganz persönlichen Beziehung der Malerin zu dem Dichter.

Als ein Dokument der Freundschaft ist auch Wilhelm Tischbeins bekanntes Goethe-Porträt zu werten, auch wenn es der Dargestellte nie vollendet gesehen hat.[50] Das Bild, das ohne Auftrag als >hommage< an Goethe entstand, verknüpft verschiedene Aspekte miteinander. Ein wichtiges Motiv ist neben dem Motiv der Vergänglichkeit und der diese überwindenden Geschichtsmacht der Antike, die Verbindung der Künste: Der Dichter als Inbegriff der Poesie, umgeben von Architektur und Skulptur, wird durch die Malerei verherrlicht. Auch auf die Freundschaft wird angespielt. Das Relieffragment zeigt die Szene, in der Orest und Pylades vor Iphigenie geführt werden, und diese ihren Bruder wiedererkennt. Hierin ist natürlich zunächst ein Bezug auf Goethes Drama zu erkennen, doch galten Orest und Pylades seit der Antike als Exempel der Freundschaft. Der Efeu, der den Stein umrankt, ist ein altes Symbol unverbrüchlicher Verbindung. Da das Bild nie zu Goethe gekommen ist, muß man wohl sagen, daß letztlich der Maler sich hier als Freund des weltberühmten Dichters ausweisen möchte.


Bilder der Freundschaft im Lukasbund

Eine ganze Reihe von Einzelbildnissen, die sicher als Freundschaftbilder gedacht waren, entstand im Kreis der Lukasbrüder. Kurz vor der Abreise aus Wien hat Overbeck ein kleines Bildnis von Joseph Sutter geschaffen.[51] In Rom entstand um 1811 das Porträt von Joseph Wintergerst.[52] In beiden Bildern hat sich der Maler ganz auf die eindringliche Wiedergabe der ernsten Gesichtszüge der Freunde konzentriert. Sein eigenes Porträt hat Overbeck mit deutlichen Hinweisen zu seiner Kunstauffassung bereichert. 1809 vollendete er sein >Selbstbildnis mit Bibel<, (Abb. 1) unmittelbar davor entstand die kleine Radierung gleichen Titels.[53] In dem Gemälde sitzt der Künstler vor einer Staffelei mit einer leeren Leinwand und liest in der Bibel, den Kreidehalter griffbereit vor sich: Ein unmißverständlicher Hinweis auf seinen Vorsatz, Bilder aus der Bibel zu malen. In der Radierung hält er daneben noch eine Zeichnung, auf der eine Frauengestalt im griechischen Kostüm zu sehen ist, vielleicht noch ein Zugeständnis an die Lehrpläne der Akademie. Vor ihm liegt wie beiläufig ein Kleeblatt, das für ihn jedoch das Symbol für den freundschaftlichen Dreierbund war, der zwischen ihm, Pforr und dessen Jugendfreund Passavant geschlossen worden war. Der Gipfelpunkt der als Freundschaftsbeweis entstandenen Einzelbildnis ist das Porträt von Franz Pforr, (Abb. 2) an dem Overbeck im Herbst 1810 zu arbeiten begonnen hatte.[54] Overbeck versetzte den Freund in das von ihm erträumte deutsche Mittelalter. »Das Ganze soll ihn in einer Lage vorstellen, in der er sich vielleicht am glücklichsten fühlen würde«, schrieb er an Sutter.[55] Das Bild charakterisiert nicht nur den Freund, sondern vielleicht mehr noch dessen künstlerische Ziele.

Das Pforr-Porträt ist auch in Overbecks Werke eine Ausnahmeerscheinung. Wenn er später noch Porträts schuf, was nur aus persönlicher Veranlassung geschah, dann wählte er konventionelle Formen des Porträts. Ein Beispiel dafür und ein besonderes Dokument der Freundschaft ist das Blatt der Sammlung Winterstein, auf dem sich Peter Cornelius und Friedrich Overbeck gegenseitig porträtiert haben.[56] Sie haben diese Zeichnung für Christian Schlosser geschaffen, der im Frühjahr 1812 Rom wieder verlassen mußte, nachdem er sich lange im Kreis der Lukasbrüder aufgehalten und sich intensiv um den kranken Franz Pforr gekümmert hatte. Der Akt, ihm das Doppelselbstbildnis zu schenken, war ein besonderer Freundschaftsbeweis. Es sollte helfen, die Erinnerung an die römischen Freunde lebendig zu halten.

Personifikation der Freundschaft und der Kunstanschauung.

Abb. 10

Wie wichtig den Lukasbrüdern die Freundschaft war, zeigt sich daran, daß sie verschiedene andere Wege suchten, sie künstlerisch zum Ausdruck zu bringen. Durch das Studium der alten Meister, das er zusammen mit Pforr betrieb, insbesondere durch das Studium der Gemälde Dürers in der Wiener Galerie, der >Marter der zehntausend Christen< und des >Landauer Altares< wurde Overbeck auf die Idee gebracht, Porträts als Assistenzfiguren in seine Historienbilder einzufügen. In der >Auferweckung des Lazarus<, die Overbeck im Sommer 1808 vollendete und später als sein »Erstgeborenes« bezeichnete, stellte er sich und Pforr am linken Bildrand hinter der kompakt zusammengefügten Hauptgruppe dar.[57] Sie stehen bescheiden im Hintergrund und sind doch fiktive Zeugen des Bildgeschehens und bekräftigen so dessen Wahrheitsanspruch. In dem Gemälde, das sein erstes Hauptwerk werden sollte, dem >Einzug Christi in Jerusalem< (Abb. 8)hat Overbeck diese Idee, sich und die Freunde in das Bild zu integrieren, weiter ausgebaut.[58] Der auf dem Maulesel reitende Christus wird von Petrus und Johannes begleitet. Ihnen folgt die Gruppe der übrigen Apostel, hinter denen wiederum man die Gruppe der Lukasbrüder erkernnt. Wieder stehen Pforr und Overbeck nebeneinander, rechts neben Pforr, ganz am Bildrand, ist Wintergerst zu sehen, links von Overbeck folgen Martini und Sutter.[59] Implizit wird mit ihrer Anordnung im Bild der Anspruch erhoben, daß die Lukasbrüder den Aposteln Christi auf deren Weg folgen, selbst Apostel der Kunst und des Glaubens sind. Links hinter der Gruppe von Johannes und Jakobus fügte Overbeck noch die Bildnisse seiner Eltern und seiner Schwestern ein. Rechts neben ihnen, in der Zäsur zwischen Christus und Johannes, fast im Mittelpunkt der Komposition fallen zwei junge einander zugewandte Frauen auf, die auf Christus blicken, ein erdichtetes Schwesternpaar, das für Overbeck und Pforr eine ganz besondere Rolle spielte: Sulamith und Maria, aus denen später ltalia und Germania werden sollten.

Bei Overbeck war das Porträt das wichtigste Mittel, Manifeste des Freundschaftsbundes und seiner Ziele zu schaffen. Franz Pforr ging einen anderen Weg der künstlerischen Veranschaulichung seiner Freundschaftsideale. Neben den Möglichkeiten, die die verschiedenen Typen des Porträts boten, gab es traditionell drei Wege, Freundschaft zum Thema der Kunst zu machen: das mythologische oder historische Exemplum, das Symbol und die Personifikation. Die bekanntesten antiken Freundespaare hatte beispielsweise Hyginus aufgezählt.[60] Zu ihnen gehören Orest und Pylades, Theseus und Pirithous, Achill und Patroklos oder Moiros und Selinuntius, deren Freundestreue Schiller in seiner >Bürgschaft< feierte. Für diese Gestalten, für die sich der Klassizismus begeisterte, konnte ein Lukasbruder verständlicherweise kein sonderliches Interesse aufbringen.

Anders stand es mit den tradierten Symbolen der Freundschaft. Das alte und in der Emblematik seit dem 16. Jahrhundert vielfach variierte Symbol des Handschlags war den Lukasbrüdern natürlich wohlvertraut.[61] Overbeck beispielsweise benutzte dieses Motiv in seiner Darstellung der von Wackenroder erträumten Freundschaft zwischen Raffael und Dürer. In der um r8ro geschaffenen Zeichnung knien die beiden Meister vor dem Thron der

Friedrich Overbeck, Der Hl. Lukas, Vignette  zum Bundesbrief.

Friedrich Overbeck, Der Hl. Lukas, Vignette zum Bundesbrief

christlichen Religion und reichen sich die Hände als Zeichen ihres gemeinsamen Zieles (Abb. 10), der Verherrlichung der Religion zu dienen.[62] Ein anderes Emblem der Freundschaft war der Weinstock, der sich an einem Baum emporrankt. Eine Erinnerung daran dürfte der Weinstock in Overbecks Porträt von Pforr sein. (Abb. 2) Bild der Freundschaft konnte auch der aus Steinen zusammengefügte Torbogen sein.[63] Auf die Emblematik griff Overbeck auch in seinem Entwurf der Bundesvignette zurück, wo die Buchstaben auf dem Bogen, durch den man in das Studierzimmer des heiligen Lukas blickt, sagen sollen, daß die Mitglieder es sind, die diesen Bogen bilden, der durch den Schlußstein der >Wahrheit< zusammengehalten wird. Auch das Kleeblatt in Overbecks radiertem Selbstbildnis ist ein altes Symbol eines Dreierbundes. Natürlich waren nach dem Ende der Emblematik alle diese Motive nicht als selbständige Bildgegenstände, sondern nur als erläuterndes Beiwerk nutzbar.

* Frank Büttner; Bilder als Manifeste der Freundschaft und der Kunstanschauung zwischen Aufklärung und Romantik in Deutschland, Staatliche Graphische Sammlung München. Johann Friedrich Overbeck. Italia und Germania. Kulturstiftung der Länder - Patrimonia, Bd. 224, München 2002, S. 23-28 und Abb.

Bilder als Manifeste der Freundschaft und der Kunstanschauung zwischen Aufklärung und Romantik in Deutschland (Teil 3)


Anmerkungen:

[37] Lankheit (wie Anm. 16), S. 7.
[38] Lankheit (wie Anm. 16), S. 123 f.
[39] Wilhelm Tischbein: Homer nach Antiken gezeichnet, Göttingen 1801- 1804; Beate Grubert: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein - >Homer nach Antiken gezeichnet<, Diss. Bochum 1975.
[40] Oskar Bätschmann und Pascal Griener, Hans Holbein, Köln 1997, S. 184 ff.
[41] J. H. Tischbein d. Ä.: Landgräfin Philippine von Hessen und ihre Schwester (1773), Bad Homburg, Staatliche Schlösser und Gärten Hessens; vgl. Baumgärtel (wie Anm. 6), S. 191 f.
[42] Baumgärtel (wie Anm. 6), S. 193.
[43] Hamburg, Kunsthalle; Jörg Traeger: Philipp Otto Runge und sein Werk. Monographie und kritischer Katalog, München 1975, S. 374.
[44] Wilhelm Tischbein und Heinrich Jakob Tischbein, »Einer den andern gemalt« - Doppelporträt der Brüder, Frankfurt, Goethe-Museum; Hermann Mildenberger: Johann Heinrich Wilhelm Tischbein, Goethes Maler und Freund, Katalog der Ausstellung des Schleswig Holsteinischen Landesmuseums, Neumüster 1986, S. 211, Nr. 8. Die Diogenes-Anekdote berichtet Diogenes Laertios: Leben und Meinungen berühmter Philosophen, VI, 41; zur Deutung vgl. Erasmus von Rotterdam, Apothegmata, Buch III, Diogenes, Nr. 63: »Er machte damit deutlich, die öffentlichen Sitten in der Stadt wären so, daß die Bürger kaum den Namen >Menschen< verdienten« (Erasmus, Apothegmata, übers. von Heribert Philipps, Würzburg 2001, S. 208).
[45] Wilhelm Schadow, Selbstbildnis mit seinem Bruder Ridolfo und Bertel Thorvaldsen, Berlin, Nationalgalerie; Gerhard Bott und Heinz Spielmann (Hrsg.): Künstlerleben in Rom. Bertel Thorvaldsen (1777-1844). Der danische Bildhauer und seine Freunde, Katalog der Ausstellung Nürnberg und Schleswig, Nürnberg 1992, S. 520.
[46] In diesem Punkt kritisiert auch R. Kanz den Ansatz Lankheits: Kanz (wie Anm. 8), S. 121.
[47] Traeger (wie Anm. 43), S. 371, Nr. 302.
[48] Baumgärtel (wie Anm.6), S. 227f.; Bettina Baumgärtel: Angelika Kauffmann, Katalog der Ausstellung Düsseldorf / München / Chur, Stuttgart 1998, S. 322.
[49] Herder an seine Frau Caroline, Rom, 27. Februar 1789: zit. nach: Johann Gottfried Herder: Italienische Reise. Briefe und Tagebuchaufzeichnungen 1788-89, hrsg. von Albert Meier und Heide Hollmer, München 1989, S. 360.
[50] Christian Lenz: Tischbein. Goethe in der Campagna di Roma, Frankfurt 1979; Kanz (wie Anm. 8), S. 172-196.
[51] Berlin, Nationalgalerie; vgl. Johann Friedrich Overbeck (1789-1869), Katalog der Ausstellung hrsg. von Andreas Blühm und Gerhard Gerkens, Lübeck 1989, S. 112, Nr. 10.
[52] Hamburg, Kunsthalle; vgl. Kat. Overbeck (wie Anm. 52), S. 120, Nr. 14.
[53] Overbeck, Selbstbildnis mit Bibel (datiert 1809), Lübeck, Museen für Kunst und Kulturgeschichte; vgl. Katalog Overbeck (wie Anm. 52), S.108, Nr.8. Overbeck, Selbstbildnis mit Bibel, Radierung (von fremder Hand datiert 1809), Lübeck, Museen für Kunst und Kulturgeschichte; vgl. Kat. Overbeck (wie Anm. 52), S. 185 f., Nr. 63.
[54] Overbeck, Bildnis des Malers Franz Pforr, Berlin, Nationalgalerie; vgl. Kat. Overbeck (wie Anm. 52), S. 114, Nr. 11 (mit älterer Lit.). Das Bild ist zunächst unvollendet geblieben, und Overbeck hat es erst 1865 fertiggestellt. Man nimmt jedoch allgemein an, daß es zu wesentlichen Teilen zu Lebzeiten Pforrs fertiggestellt war.
[55] Overbeck an Sutter, Rom, 10. Oktober 1810, zit. nach Lehr (wie Anm. 21), S. 195 f.
[56] Zuletzt dazu: Hinrich Sieveking: Von Füssli bis Menzel. Aquarelle und Zeichnungen der Goethezeit aus einer Münchner Privatsammlung, München 1997, S. 94.
[57] Overbeck, Die Auferweckung des Lazarus, Lübeck, Museum für Kunst und Kulturgeschichte; vgl. Kat. Overbeck (wie Anm. 52), S.104, Nr. 6.
[58] Overbeck, Einzug Christi in Jerusalem, ehern. Lübeck, St. Marien; der Karton zu dem Bilde, 1809 datiert, in Lübeck, Museum für Kunst und Kulturgeschichte; vgl. Kat. Overbeck (wie Anm. 52), S. 184, Nr. 61.
[59] Die Identifizierung wird durch einen Brief Vogels bestätigt, vgl. Howitt (wie Anm. 20), Bd. I, S. 486. Johann Christian Martini, ein aus Lübeck stammender Arzt, war in der Gründungsphase des Lukasbundes in Wien. Overbeck malte sein Porträt, das sich heute in Lübeck, Museum für Kunst und Kulturgeschichte, befindet; vgl. Kat. Overbeck (wie Anm. 52), S. 110, Nr. 9.
[60] Hyginus, Fabulae 257; deutsch in: Griechische Sagen, eingeleitet und übertragen von Ludwig Mader, Zürich / Stuttgart 1963, S. 355 ff.
[61] Artur Henkel, Albrecht Schöne (Hrsg.): Emblemata. Handbuch zur Sinnbildkunst des XVI. und XVII. Jahrhunderts, Stuttgart / Weimar 1996, Sp. 1013 -1019.
[62] Overbeck: Dürer und Raffael vor dem Thron der Kunst, Wien, Albertina; vgl. Kat. Overbeck (wie Anm. 52), S. 187, Kat. 67. Die Personifikation wird hier noch, wie insgesamt in der älteren Literatur; als Personifikation der Kunst gedeutet Gegen diese Deutung wandte sich zu Recht B. Heise (wie Anm. 19), S.163, die hier eine Personifikation der Kirche sah. Mir scheint es allerdings richtiger, darin die Personifikation der christlichen Religion zu sehen, so wie dies für die späteren Darstellungen von Philipp Veit und Cornelius belegt ist; vgl. Büttner (wie Anm. 28), Bd. 2, S. 150 ff. Friedrich Schlegel hatte in seinen Gemäldebeschreibungen, postuliert, daß die Kunst »von der ursprünglichen Bestimmung, die sie in alten Zeiten überall hatte, die Religion zu verherrlichen. nicht abweichen darf, wenn sie sich nicht .in eigentliche Gemeinheit« verlieren soll: F. Schlegel (wie Anm. 3), Bd. 4, S. 79.
[63] Henkel / Schöne (wie Anm. 61), Sp. 1235 f.