milan golob

Eine Madonnenstatue im Staedtischen Museum zu Braunschweig

contact
links
cv
home

sitemap
drawings
paintings 1 1 2 3 4 5 a b c -
- A B . . . . . . . new
installations
projects
reviews

 

 

 

 

 

 

 

list of paintings ...

 

titles of ...
paintings not created yet
...


Eine Madonnenstatue im Staedtischen Museum zu Braunschweig

Maria Gerletz (1917-1991)
2012, oil on canvas, 23×29 cm

Eine Madonnenstatue im Staedtischen Museum zu Braunschweig

Maria Gerletz (1917-1991)


Eine Madonnenstatue im Staedtischen Museum zu Braunschweig

BIBLIOGRAPHIES

 

 

Felix Witting
Eine Madonnenstatue im Städtischen Museum zu Braunschweig (Teil 1)*

Unter den aus den Wirren der Schwarmgeister im 16. Jahr, hundert geretteten Werken der Kunst der vorangegangenen Zeit befindet sich, im städtischen Museum zu Braunschweig bewahrt,[1] eine Madonnenstatue aus Alabaster, deren Bedeutung für die Kunstgeschichte um so eher einleuchtet, als der Bestand der Denkmäler älterer Perioden nur sporadische Beobachtung noch gestattet, je mehr Material und rituelle Bedingtheit ihre Erhaltung in Frage gestellt haben. Das Standbild selbst erscheint geborgen unter einem Tabernakel, dessen oberer, auf zarten Stäben ruhender, baldachinartig ausgebildeter Teil in spätgotischer Schnitzarbeit in Form des Eselrückens bereits mit durchbrochenem Stabwerk ausgeführt ist. Im Verein damit weist der gerade verdachte Abschluß des Tabernakels auf vorgeschrittener Stilformen der Spätgotik, die aber, auch nach Angabe der Museumsverwaltung,[2] noch im 15. Jahrhundert belassen. Die Madonna ist durch ein niedriges Piedestal erhöht gegeben; sie trägt in der Rechten das Szepter, als Abzeichen ihrer himmlischen Würde, auf dem linken Arm das Kind, das aufrecht sitzend die mit dem Kreuz geschmückte Weltkugel hält und nach Angabe des Katalogs der Sammlung nicht ursprünglich ist, sondern auf einen Gipsabguß nach Thorwaldsen zurückgeht.[3] Ihre hoch geführte Krone ist nach Federkronenart gebildet, das aus Unterkleid und Mantel bestehende Gewand in langgestreckte, weiche Falten gelegt, in denen nur ein letzter Anflug der Gotik noch zu erkennen ist.[4] Bemerkenswert erscheint die schmale Körperbildung der Statue, nicht mehr im Sinn mittelalterlichen Kunstprinzips, sondern ab Ausdruck einer unmittelbar plastischen Auffassung, deren seelische Wirkung bereits menschlich näher berührt, ebenso das zarte, eng belassene Tabernakel, in dessen Schattenraum das alabasterne Standbild aufgenommen ist. Beides zusammen führt in die Nähe westfälischer Kunst, wo derartige räumlich-körperliche Auffassung sich bis in die Stecherweise Israhels van Meckenem verfolgen läßt und sich als Erbe alter Gewohnheit in getriebener Goldarbeit enthüllt.[5] Auffallend erscheint bei solch heimischer Bildung der Formen das Material, das der Künstler gewählt hat, und das im Bereich der deutschen Bildnerei des 15. Jahrhunderts gewiß auf besondere Veranlassung schließen läßt. Dem Forscher, den auch der Stoff, aus dem das Kunstwerk gebildet ist, zu bedeutsamem Faktor desselben wird, bietet sich zu nächstem Vergleich die Ueberreste eines großen retabloartigen Altarwerks an, welche sich im Museum zu Carcassonne befinden.[6] Auch hier ist Alabaster als besonderer Ausdruck des künstlerischen Willens des Bildners gewählt, in so bedeutenden Dimensionen der Anwendung, die auf übliche Benutzung desselben schließen lassen darf. Diese Beobachtung wird um so schwerwiegender, als das AItarwerk seinem Stil nach in das 15. Jahrhundert zu setzen ist. Aus der gleichen Zeit stammt auch die aus gleichem Material gebildete Statue der Madonna mit Kind in der Kirche zu Pont-d'Avignon, die ihrer Kunstweise nach in die Nähe jener halbfranzösischen Madonnen zu bringen ist, die auf Francesco da Laurana zurückgehen, wenn sie nicht ihm selber zuzuschreiben ist, wo seit 1476 seine Anwesenheit in der Provence jedenfalls feststeht und seine Mitarbeit am Schmuck der Capella di S. Giovanni in der Kathedrale zu Genua als wahrscheinlich angenommen wird.[7] Nach solchem Hinweis erscheint auch der stilistische Zusammenhang der Madonnenstatue aus gleichem Material in Braunschweig mit solchen Denkmälern provenzalischer Kunst nicht zu leugnen, besonders mit den genannten, schmal gehaltenen Altarwerkreliefs, deren zierliche, wenn auch schon leicht manieristische Formen maßgebend geworden zu sein scheinen, auch hinsichtlich der stark horizontalen Neigung im Aufbau des Ganzen.[8]

Weist so schon das Material in bestimmte Richtung von Einwirkungen, so tritt Aehnliches auch in dem Stil der plastischen Behandlung zutage, der in den architektonischen Seiten seiner Erscheinung an Eindrücke der spätgotischen Bauten des südlichen Frankreichs gemahnt, besonders den Chor an S. Nazaire zu Carcassonne, dessen translucide Arbeit sich wiederzuspiegeln scheint und auch auf die schlanke Bildung der Formen Einfluß gewann. Daneben macht die Kathedrale zu Narbonne mit ihrer hochgewachsenen Einheit der räumlichen Fassung sich als Gesamtwirkung geltend, von der aus der horizontale Abschluß des Tabernakels nach oben hin schon angegeben erscheint. Ebenso ist die Hereinziehung der Wirkung des Sonnenscheins in der Rechnung des Ganzen, auf die das zartstäbige Tabernakel hin erfunden ist, ein Zeugnis ähnlicher Art, wo die Wie dergabe des hellen Fluidums des Lichts sich in Miniaturen der provenzalischen Schule so deutlich verfolgen läßt, und verwandte Auffassung des Verhältnisses von Körper und Raum in dem Nicolas Froment zugewiesenen Wunder des hl. Mitra zutage tritt.[9] Beobachten wir auf der andern Seite, wie Francesco da Laurana in dem Grabrelief für König Rene im Langhaus von Saint-Didier zu Avignon seine Gestalten in teilweisem Anschluß, an deutsche Holzbildnerei gibt,[10] so konstatiert sich damit ein Rückeinfluß auf die südfranzösische Kunst, der in diesem Zusammenhange wohl eine besondere Bedeutung gewinnt und auf Träger deutscher Einwirkung schließen läßt, zu denen aller Wahrscheinlichkeit nach der Meister der Madonna im Tabernakel zu Braunschweig gehören dürfte. Beweiskräftig ist in dieser Hinsieht auch die Verkündigung eines Kölner Meisters um 1460 in der Sammlung Bachofer-Burckhardt in Basel, die auf Kenntnis der Annunziata Justus de Allemagnas im Chiostro von Sa. Maria di Castello in Genua vom Jahre 1451 basiert;[11] hier dokumentieren sich ähnliche Beziehungen, wie wir an dem Bildwerk des Städtischen Museums in Braunschweig erkannten, die wohl dazu führen, den Meister der genannten Verkündigung in Köln, mit Justus de Allemagna zu identifizieren, wo Formensprache und Details so enge Berührung zeigen, wie zwischen einem Tafelbild früherer Entstehung und einer Freskoarbeit nur vorhanden sein kann.[12] Lassen sich derartige Kreuzungen der künstlerischen Einwirkungen bei weiter gespannten örtlichen Bedingungen beobachten, so gewinnt auch der Zusammenhang der Madonnenstatue im Städtischen Museum zu Braunschweig mit südlichem Stil französischer Herkunft größere Wahrscheinlichkeit und tiefere Begründung, zumal wir Franceso da Laurana schon seit 1448 an dem architektonischen Entwurf für die Capella di S. Giovanni in der Kathedrale zu Genua neben Domenico Gagini aus Bissone am Luganersee, dem Bildner der skulptischen Teile, wahrscheinlich tätig zu denken haben, wie oben erwähnt, so daß bis 1468, wo der dalmatinische Künstler in Palermo erwähnt wird, eine Berührung mit ihm voraussetzen könnten, nachdem Domenico Gagini schon seit 1463 und fest seit 1465 in derselben Stadt wirksam wird.[13] Gerade die Neigung Francesco da Lauranas zur Schöpfung von Madonnenstatuen an denen Sizilien vor allem so reich ist und die wir auch in Pont-d'Avignon konstatieren zu dürfen glaubten, mochte auch auf den Meister des Braunschweiger Alabasterstandbildes ihre Bedeutung gewinnen, wo in den Werken des ersteren der Nachklang gotischer Tradition so bemerkenswert hervortritt,[14] so daß eine Anknüpfung des nordischen Künstlers sich um so eher vollziehen konnte, und der Charakter der Reliefs des AItarwerks in Carcassonne, das wir nannten, seiner Weise so nahesteht. Weisen wir noch auf die eigene künstlerische Tätigkeit des Königs Rene hin, welcher solchen Austausch der Beziehungen unterstützte,[15] auf die Bevorzugung nach nordischer Art angelegter Laubgänge in Tarascon, so ergeben sich damit weitere Belege der geäußerten Ansicht von nicht zu übersehender Art, daß der Autor der Madonna im Tabernakel zu Braunschweig mit provenzalischer Kunst in Berührung zu denken ist.[16]

Da verlohnt sich auf der andern Seite schon ein Ausblick auf die Gebiete nördlicher Kunst, wo durch Bedingungen des Materials hervorgerufen sich eine verwandte Zartheit der Aeusserungen einstellt. In Anbetracht hergebrachter Beziehungen dieser sächsischen Gebiete mit Mecklenburg, wo 1170 Doberan als Tochterkloster von Amelungsborn gegründet wird,[17] zu Dänemark gar, das Herzog Albrecht I. von Braunschweig im 13. Jahrhundert besuchte,[18] wären Kenntnisnahmen des Meisters des Marienstandbilds im Museum dieser Stadt von Stilweisen jener Gegenden nicht ausgeschlossen. Das Prinzip des Geschichteten in einzelnen Lagen des Aufbaus zu beständiger Vorführung statischer Wahrscheinlichkeit verbindet sich erst hier mit dem zarten Aufsprießen der zierlichen Gestalt, wie an den Erzeugnissen des Ziegelbaus der Ostseegebiete, wohl gar in Verbindung mit farbig differenzierten Bestandteilen. In der Bevorzugung der Horizontale, wie sie der Abschluß des Tabernakels zeigt begegnen sich die Gewohnheiten jener Gegenden mit Erscheinungen der Baukunst Braunschweigs, wie sie schon die romanische Anlage von S. Martin hier darstellte, wo bei gleicher Höhe der Schiffe des Langhauses analoge Gesetze des körperlichen und Raumgefühls zu Grunde gelegt sind, welche man mit oberitalienischer Architektur am ehesten in Verbindung zu bringen geneigt wäre,[19] die aber auf westfälischem Gebiete verwandte Äußerungen haben, so daß hier heimatliche Anregung und Suchen nach Ähnlichem sich vereint haben mögen zu jenem malerischen Streben des Zusammenhaltens von Raum und Körper, wie es im 15. Jahrhundert die St. Annakapelle an der Südseite von S. Martin noch ausgeprägter zur Schau stellte, nach dem Vorgang der Benediktinerkirche zu S. Aegidien in Braunschweig, in allmählichem Übergang zu den Formen der Renaissance, der sich an anderer Stelle ebenso unter Beeinflussung auswärtiger Kunst vollzieht.[20] Bei solchem Übertritt der Architektur auf das Gebiet der Nachbarkünste dürfte es nicht befremden, im Bereich der Plastik Analoges zu "erfolgen, das stufenweise Streben zum Ausdruck gelenkigerer Art zu beobachten, das allein aus dem Hinzutritt der graphischen Künste seit dem 16. Jahrhundert ein gut Teil seiner 8rklärung erhält.

Bei der Bedeutung, die der Kupferstich in Burgund zur Zeit Karls des Kühnen schon gewann,[21] ist das Hinübergleiten des Meisters der Braunschweiger Marienstatue in malerische Vorstellungsweise so doppelt begreiflich, die ihn von selbst zum Aufsuchen verwandter Bestrebungen treiben mochte, wie wir Beziehungen zur Kompositionsweise Israhel van Meckenems bereits berühren konnten. So ergab sich auch die Neigung zur Wahl kostbareren Materials und preziöserer Behandlung desselben als natürliche Folgeerscheinung des Wechsels der Dinge, die die an glyptische Art erinnernde Technik der neu entdeckten Griffelkünste noch unterstützen konnte,[22] deren Einwirkung auf die Malerei sich schon verfolgen ließ.[23] So verschiebt sich dem Meister der Madonna im Tabernakel in Braunschweig der Standpunkt im Vollzug der Ausführung selber und bereitet Entwicklungen vor, deren anfängliche Symptome schon als bedeutungsvoll anerkannt werden müssen, deren Verfolg als ebenso berechtigt gelten muß, wie das Aufsuchen des Zusammenhangs der bildenden Kunst mit der Poesie oder gar der Urkundenlehre, die gerade in den entscheidenden Punkten der Erklärung des eigentlichen Vorgangs im Stich läßt, besonders so lange es darauf ankommt, das Auge selbst im Beobachten der Erscheinungsmerkmale zu üben, anstatt im genetischen Aufstieg der Künste das Erklärungsprinzip zu finden. Wie ein heiliges Mysterium erschließt sich auch hier die Erkenntnis der eigensten Anwartschaft der Künste bis zum Aufzeigen ihres besonderen Wesens.[24]

Allgemeine Momente der StilentwickIung.

Erfahren wir, daß 1458 in Verhandlungen zwischen Lüneburg und Lübeck wegen Regelung betreffs geistlicher Güter auch das im Braunschweigschen belegene Kloster Amelungsborn Erwähnung findet,[25] so deutet das auf Beziehungen, wie sie für den künstlerischen Stil Cort Borgentryks angenommen werden. Der Aufstand des Jahres 1445, in dem die demokratischen Elemente über den Adel der Welfenstadt erneuten Sieg davongetragen hatten, eröffnete ganz neue Wege des Konnexes der künstlerischen Anlagen, nachdem die Stadt Braunschweig ihre Teilnahme auch am Reichstag mehr und mehr zurückgezogen hatte, so daß nach einer Unterbrechung von fünfunddreißig Jahren 1506 die letzte Beschickung sich konstatieren läßt.[26] Treffen wir dem entgegen in den achtziger Jahren des 15. Jahrhunderts auf ausdrückliche Erwähnung eines karolingischen Jagdhauses im Heimburger Forst mit merklichem Hinweis auf seine malerische Lage »in loco desolati castri«, so bestätigen sich die Neigungen der Zeit schon in positiverem Sinne.[27] Auf der andern Seite gewinnt die Besitznahme von Ländereien im Gebiet des von Mainz belehnten Tydexen durch das Kloster Amelungsborn schon im Jahre 1423 die Bedeutung der Erweiterung des Zusammenhangs, auf den Beobachtungen auf künstlerischem Boden schon hinweisen.[28] Da erhält die Bestimmung der' Statuten der Universität in Wien, die zu wissenschaftlichen Sektionen anhält, aus dem Jahre 1404 ihren besonderen Wert, wo Plastik, wie Malerei um die gleiche Zeit auf naturgemäßere Darstellung der Erscheinungen schon seit dem Ausgang des 14. Jahrhunderts ihr Augenmerk lenken,[29] bis 1490 durch abermaligen Vorstoß der Bürgerschaft gegen die adeligen Anrechte die Wege zu Weiterem geebnet werden.[30] Da erscheinen 1452 in den Bestimmungen der Universität zu Heidelberg neben Avicenna, Galen und Hippokrates als normative Autoritäten der Studien, mit besonderem Hinweis auf die praktische Ausübung in chirurgischem Sinne.[31] Mit solcher Entfaltung der Kräfte steht dann die Ausgestaltung des Altardienstes in den Kirchen in engem Zusammenhang; der Stab der Offizianten und Ministranten, ausführliche Fürsorge für die Materialien der heiligen Sakramente, strenge Anordnungen über die Bewerber, Verordnungen der Pfründen, Ausdehnung der Messen, Entfaltung der Prozessionen, Fürsorge für die Einkünfte, für künstlerische Ausgestaltung auf allen Gebieten, und der Musik im Besonderen, welche die urkundlichen Nachrichten vermitteln, zeigen eine Entwicklung der Dinge zu Gunsten ganz anderer Erscheinungsweisen. Die häufigen Erwähnungen der Kapellen des hl. Autor, des hl. Bernward, des hl. Jodokus, zum hl. Geist, der hl. Elisabeth, der hl. Mutter Gottes, des Kirchhofs von S. Andreas, des Apostels Paulus, der Altäre der hl. Cäcilie in S. Martin, des hl. Kreuzes, der Allerseelenaltar in S. Ulrich bezeichnen ebenso viele künstlerische Aufgaben der Ausgestnltung.[32]

Neben solch praktischer Betätigung auf allen Gebieten der Kunst zeigen sich bereits die Anfänge einer theoretischen Betrachtung der Probleme, für die auf baukünstlerischem Gebiet der Traktat «von der Fialen Gerechtigkeit» den Inhalt der neuen Gesetze architektonischer Art bildet. Auf solchen Äußerungen spekulativer Art, die der Verbreitung gemeinsamer Kunstauffassung bedeutenden Vorschub leisten, basieren dann die theoretischen Werke Albrecht Dürers. Läßt sich hier ein Bezug des Nürnberger Malers zur Kunst Italiens beobachten,[33] so darf Aehnliches auch schon für die Wirksamkeit der Künstler im 15. Jahrhundert vorausgesetzt werden. Gerade Galenus, der in den Heidelberger Statuten als vorbildliche Autorität aufgestellt erscheint, ist es, auf den auch Leone Battista Alberti sich als Sachverständiger auf dem Gebiete der Kunst sich in seinen drei 'Büchern über die Malerei bezieht.[34] Solcher Zusammenhang mit den Vorgängen auf künstlerischem Bereich mochte der Florentiner Theoretiker während der Jahre seines Aufenthalts außerhalb Italiens gewonnen haben, von dem er in der Einleitung zu dem Libri Tre della pittura spricht: Ma poiche io dal lungo exilio, in quale siamo noi Alberti invecchiati, qui fui in questa nostra sopra l'altre ornatissmna patria riducto.[35] Stoßen wir doch auch sonst auf Indizien solcher Annahme in den Schriften L. B. Albertis. Enthält sein Traktat über die fünf Ordnungen neben Anlehnung an Vitruv und antike Kunstwerke Maßbestimmungen im Sinn der gotischen Kunst,[36] so gewinnt sein sonst zu bemerkendes Eingehen auf italienische Verhältnisse allein erst im Gefolge von Eindrücken differenter Art seine Erklärung. Auf solche weisen gelegentliche Wendungen in seinen Schriften hin, die auf künstlerische Ausübung in Holz schließen lassen. So spricht er in der Einleitung zu den drei Büchern über die Malerei von copia di legniame für das Lehrgerüst der Florentiner Domkuppel; ebenso deutet der Ausdruck parterebrando in seinem Traktat de statua auf Technik in Holz.[37] In gleiche Richtung führt sein Lob des faber navalis, der Schiffbaukunst, deren Bedeutung ihm an signifikanter Stelle bewußt geworden sein mochte.[38] Auch sein Bezug auf das Material des truncus bei der Erklärung anfänglicher Kunstübung wäre hier zu erwähnen, wo Gewohnheiten des Holzbaues auch an seinen ausgeführten Bauten, wie dem hl. Grab in S. Pancrazio, zutage treten.[39] Und klingt es nicht wie eine theoretische Nutzanwendung aus den Gegebenheiten von Anlagen, wie der S. Annakapelle an S. Martin zu Braunschweig, wenn Alberti die Malerei als eine »intersegatione della piramida visiva« definiert?[40] Auch der Tadel der charakteristischen Naturtreue, das er im Anschluß an Werke des Demetrios von Alopeke äußert, erscheint wie unter dem Eindruck nordischer Kunst erteilt.[41] Gleichermaßen dürften gelegentliche Übertreibungen, wie das Lob des plastisch greifbar heraustretenden Bildes (visi grati come scolpiti parranno uscire fuori delle tavola) als Merkmale solcher Kenntnisnahme anzusehen sein.[42] Solche Beobachtungen gewinnen umsomehr Bedeutung, als die Ausübung der Skulptur in Holz sich in Italien noch lange hin beobachten läßt und auf baukünstlerischem Gebiet den Anschluß der Kathedrale zu Pienza an das Vorbild einer österreichischen Kirche ein Indizium in demselben Sinne ist.[43] So ergeben sich Zusammenhänge der künstlerischen Anschauungen von weittragender Gemeinsamkeit wie sie für den Werdegang des Stils Gort Borgentryks nicht zu übersehen sind. Das Hervortreten verwandter Kunstprinzipien in der Kapelle der hl. Anna an S. Martin, besonders dem Altarwerk der Titelheiligen zeigt die Übereinstimmung der Gesinnung in nicht anzuzweifelnder Weise. Die Neigung zur Hervorhebung kräftiger Lokalfarben hier entspricht ganz den Forderungen L. B. Albertia: sara ivi gratia, quando l'uno colore apresso molto sara dal altro differente,[44] bis in die Beobachtung von Reflexfarben,[45] ebenso die Wiedergabe des Lichts und Schattens, gebunden an ein helles Sonnenfluidum.[46]

Hier treten Entwicklungen der Kunstbedingungen zutage, wie sie auf politischem Gebiet in der Erteilung der Erlaubnis an den Rat der Stadt Braunschweig zur Auseinandersetzung mit den jüdischen Bestandteilen der Bevölkerung von 1506 und dem Verlust des Rechts einer freizahlenden Stadt im folgenden Jahre sich zeigen,[47] eine Konversion der Lage in anderm Sinne bei anders verteilten Koeffizienten. Da gewinnen die bezeichneten Widmungen der zahlreichen AlU1re mit ihrem genauen Inhalt der Heilslehre einen tiefern Sinn, als Ausdruck von Verlangen nach Versinnbildlichungen eingehenderer Art und realistischeren Prinzipien der Kunst. Gewiß verkörperte der Altar des hl. Mauritius, Stiftung zweier adliger Fundatoren, schon in handgreiflichem Sinne das Wesen des Titelheiligen, wie ihn später auf solcher Grundlage das Altarbild GrünewaIds in der Alten Pinakothek zu München darbietet, oder gab der Altar der hl. Cäcilie in S. Martin vom Jahre 1412[48] an dem als Pfarrer Heinrich von Schöningen damals zelebrierte, den Charakter der Patronin der Musik schon energisch wieder, wo der urkundliche Bericht gar von einer zu singenden Messe spricht.[49] Der Altar des hl. Thomas in der Kapelle zum heiligen Geist stellte voraussichtlich das Seitenwunder des Herrn dar, wie es später der Meister des Bartholomäusaltars in dem Mittelbild des Triptychons im Wallraf-Richartz-Museum zu Köln unter merklichem Anschluß an die Realistik der niedersächsischen Malerei verkörpert hat, wo die umgebenden Gestalten der Heiligen und Engel auf dem Hauptteil so stark in diese Richtung weisen. "Vo die Malereien mit den Geschichten der Apostel Philippus und Jakobus d. J. in der Capella deI Beato Luca in S. Antonio zu Padua von 1382 schon so eilig von den Schicksalen der zwei Heiligen erzählen, war der Altar derselben in S. Katharinen zu Braunschweig, von Bertold von Schwalenberg 1401 gestiftet, gewiß bereits ein systematisches Resume aus solchem Vorangang in ausführendem Sinne, während der Laurentiusaltar in S. Andreas aus dem Jahre 1403 in den Darstellungen der Collegiata in Castiglione d'Olona von 1428 oder den Fresken des Guido di Pietro da Mugello, Fra Angelico, in der Kapelle des Papstes Nikolaus V. im Palast des Vatikan zu Rom von 1452 seine Kommentare erhielt. In passendem Abstand zu dem Fresko Masaccios in S. Maria Novella zu Florenz war wohl der Dreifaltigkeitaltar von 1439 in S. Martin gehalten, der um ein Jahr spätere Altar der vier Kirchenlehrer gab Veranlassung zur Entfaltung plastischer Einzelkörper in monumentalem Sinne. Der Medicialtar Rogier van der Weydens im Städelschen Museum zu Frankfurt a. M.[50] vermittelt uns vielleicht einen Begriff des Altars der hl. Cosmas und Damian in S. Ulrich vom Jahre 1451, wie der rechte Flügel des Triptychons Hans Holbeins d. Aelt. in der Alten Pinakothek zu München vielleicht auf den Altar der hl. Elisabeth an S. Katharinen von 1479 zurückgeht, bis uns der Allerseelenaltar von 1510 und der hl. Kreuzaltar des folgenden Jahres schon in den Bereich bekannter Vorstellungen der Hochrenaissance bringen und der malerische Schmuck der Friedhofskapelle von S. Andreas aus dem Jahre 1524 wohl das Martyrium des Heiligen selbst vorführte, wie es ein aus der niederländischen Schule der Zeit stammendes Triptychon in S. Lorenzo oberhalb Santa Margherita zeigt.[51]

* Felix Witting; Cort Borgentryk – Der Meister des Braunschweiger Dombildes, Studien zur Deutschen Kunstgeschichte, 214. Heft., Strassburg, J. H. Ed. Heitz, 1921, S. 32-45.

Eine Madonnenstatue im Städtischen Museum zu Braunschweig (Teil 2)


[1] im I. Obergescboß, Saal 7. Führer durch das Städtische Museum, 1908, S. 36 f. mit Holzschnitt nach R. Sievers.
[2] a. a. O.
[3] a. a. O. Wie weit im Anschluß an den ursprünglichen Zustand, ist fraglich.
[4] über Nachwirkungen gotischer Kompositionsgesetze noch in italienischer Kunst s. Schmarsow, Ghibertis Kompositionsgesetze an der Nordtür des Florentiner Baptisteriums, Abhdlgn. der philol.-histor. Klasse der K. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften XVIII, 1899.
[5] vgl. Clemen, die rheinische und die westfälische Kunst auf der kunsthistorischen Ausstellung zu Düsseldorf. 1902, 1903. - Geisberg und Meier, das Landesmuseum der Prov. Westfalen in Münster, 1, 1914.
[6] Dasselbe setzte sich ursprünglich aus einer aneinander gereihten Summe kleiner Reliefdarstellungen zusammen und weist seinerseits auf Zusammenhang mit spanischer Kunst.
[7] J. Burckhardt, der Cicerone, 1909, II, S. 506, 215 f.
[8] vgI. a. die von Schumann (Der trojanische Krieg, 1898) publ. franz. Handzeichnungen des 15. Jahrh.
[9] Solche Attribution vertrat der Katalog der Ausstellung frühfranzösischer Kunst im Pavillon Marsan des Louvre 1904. Vgl. a. den im Jahrbuch der Kunsthistor. Sammlungen des Allerh. Kaiserhauses, Wien publ. Ritterroman provencalischer Herkunft.
[10] Phot. Neurdein, Monuments histor. de la France.
[11] Vgl. über letztere Schmarsow, die oberrheinische Malerei und ihre Nachbarn um die Mitte des 15. Jahrhunderts (1430-1460), Abhdlgn. der philol.-hist. Klasse der K. Sächs. Gesellschaft der Wissenschaften, XXII, 1904:, über das Basler Bild A. L. Plehn, die Figur im Raume, 1909, in: Die Kunst, hrsg. von R. Muther, Bd. 54, S. 34 Abb. 4.
[12] über die Identifikation dieses Justus de Allemagna mit Justus von Gent vgl. Burckhardt, a. a. O. 11, S. 801. Schmarsow, a. a. 0.; ders. Joos van Gent und Melozzo da Forli in Rom und Urbino, Abhdlgn. der philol.-histor. Klasse der K. Sächs. Gesellsch. der Wissensch. XXIX, 1912.
[13] Burckhardt a. a. O. S. 506 f.
[14] a. a. O.
[15] Eug. Müntz, Ia Renaissance en Italie et en France, 1885.
[16] Tafelbilder in der Kathedrale Ste. Marthe zu Tarascon lassen noch im Beginn des 16. Jahrhunderts Beziehungen zu nördlicher Kunst erkennen, die am ehesten nach Trier weisen dürften. - Umgekehrt weist z. B. das Rathaus in Nordhausen a. Harz auf Einfluß itaI. Architektur hin.
[17] vgI. Rustenbach, Geschichte des Klosters Amelungsborn im Jahrbuch des Geschichtsvereins für das Herzogtum Braunschweig, IX (1910), S. 48. - Schon 1219 gewinnt das Kloster zu D. das Landgut Satow. a. a. O. - Auch Ratzeburg und Schwerin als Bistümer wären hier zu nennen (1158 u. 1186); vgI. Lesche, in Quellen und Forschgn. f. Braunschweig, G. VI, S. 57.
[18] s. A. Bähr, Albrecht T, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg. im Jahrbuch des Gesch.-Ver. für das Herzogtum Braunschweig, XIII (1914), S. 8, vgl. S. 56. Noch im 16. Jahrh. erneuert sich die Verbindung mit Dänemark in der Vermählung Her7.ogs Heinrich Julius mit Elisabeth von Dänemark; vgl. Hassenbrouk, Herzog Heinrich Julius und die Stadt Braunschweig, im Jahrbuch des Gesch. - Ver. für das Herzogtum Braunschweig, IX (1919), S. 14. -1263 stellt Herzog Albrecht dem Kloster Doberan eine Urkunde aus; vgI. Bähr a. a. O. S. 32.
[19] Dehio-v. Bezold, Kirchliche Baukunst des Abendlandes I, 1884 ff.
[20] s. O. Siren, gamla Stockholmshus af Nicodemus Tessin d. Ä. och nagra samtida byggnader, 1913. wo der Einfluß der holländ. Architektur der Renaissance auf skandinavische Gebiete behandelt ist.
[21] s. M. Lehrs, der Meister W. Ein Kupferstecher zur Zeit Karls des Kühnen, 1895.
[22] Schmarsow, Beiträge zur Aesthetik der bildenden Künste I. Zur Frage nach dem Malerischen, 1896.
[23] Fel. Witting, Piero dei Franceschi, 1898, S. 160, 162.
[24] cf. Schmarsow a. a. O. S. 53.
[25] Rustenbach, Geschichte des Klosters Amelungsborn im Jahrb. des Gesch. - Ver. für das Herzogt. Braunschweig, IX (1910), S. 60.
[26] Hassebrouk, Herzog Heinrich Julius u. die Stadt Braunschweig im Jhrb. d. Gesch. - Ver. für das Herzogtum Braunschweig, IX (1910), S. 45. 78.
[27] Höfer, Ertfelde, Michaelskirche, Liutbergsklause, eine Studie zur Vita Lintbirgae in Quellen und Forschungen zur Braunschw. Geschichte, VI (1914), S. 159.
[28] Rustenbach a. a. O. S. 41.
[29] Hofmeister, die med. Fakultät der Universität Helmstedt im Jahrb. des Hist. - Ver. für das Herzogt. Braunschweig, IX (1910), S. 114.
[30] Hassebrouk a. a. O. S. 92.
[31] Hofmeister a. a. O. S. 113, 147; Winkelmann. Urkundenbuch der Universität Heidelberg, 1886, I, S. 169.
[32] Heepe a. a . O.
[33] vgI. Cam. Sitte in den Mitteilungen der k. k. österreich. Museen für Kunst und Industrie, 1879, S. 325; s. mein. Piero dei Franceschi, 1898, S. 150.
[34] s. die Ausg. d. H. Janitschek in Quellschriften für Kunstgeschichte, XI (1877), hrsg. von Eitelberger von Edelberg, S. 153. A. erwähnt hier -eine antike Gemme mit der Darstellung des Phaëton auf dem Viergespann, deren anatomische Richtigkeit selbst bei der Kleinheit des Formats zutage trat. - In der Ausg. von A. Bonucci (Opere volgari di L. B. Alberti, 1843 f.) vol. IV.
[35] a. a. O. S. 47.
[36] hrsg. von Janitschek a. a. O. S. 209 ff.
[37] a. a. O. S. 49, 197.
[38] a. a. O. S. 187.
[39] a. a. O. S. 169.
[40] a. a. O S. 69; vgl. Einleitung.
[41] a. a. O. S. 151.
[42] a. a. O. S. 133, vgI. a. S. 143 (Anfg. d. 3. B.).
[43] J. Burckhardt, Geschichte der Renaissance in Italien, 1891.
[44] Della pittura lib. II i. f. (Janitschek a. a. O. S. 138 ff.)
[45] a. a. O. lib. I (Janitschek S. 67).
[46] a. a. O. lib. II (Janitschek S. 133ff.).
[47] Hassebrouk a. a. O. S. 82, 78.
[48] Heepe a. a. O. S. 9.
[49] missen, de ... ghesunghen scholden wesen.
[50] Hanke, Ein Gang durch das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt a. M., 1915.
[51] Stich danach bei Förster, Geschichte der deutschen Kunst, 1860. - Über den künstlerischen Zusammenhang der niederländischen und oberdeutschen Kunst vgl. Wallerstein, die Raumbehandlung in der ober- deutschen und niederländischen Tafelmalerei der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts, 1909.